Perspektiven in Zeiten der Krise.

Die Welt steht still. Was kann Kultur in einer globalen Krisensituation leisten? 

Sie kann stützen, motivieren, Impulse liefern, Perspektiven zeigen. 

Baumeisterin der Republik.

Baumeisterin der Republik.

Johanna Dohnal
1939-2010, Politikerin, Feministin, erste Frauenministerin Österreichs.

Als erste Frauenministerin Österreichs setzte sie Reformen um, die Österreichs Gesellschaft nachhaltig veränderten. Damit war sie unbequem. Sie polarisierte und machte sich auch in der eigenen Partei nicht nur Freund*innen.

Frauenforumsprechstunde 1982

Frauenforumsprechstunde 1982

Ich denke, es ist Zeit, daran zu erinnern:  Die Vision des Feminismus ist nicht eine ‚weibliche Zukunft‘.  
Es ist eine menschliche Zukunft.  
Ohne Rollenzwänge, ohne Macht- und Gewaltverhältnisse,  ohne Männerbündelei und Weiblichkeitswahn. 

Johanna Dohnal
Gastvortrag an der Technischen Universität Wien, WIT-Kolloquium 22. März 2004

Kindheit und Jugend waren für die in Wien geborene Johanna Dohnal prägend. Sie war das uneheliche Kind einer kranken Mutter. Ihre Großmutter, bei der sie aufwuchs, kämpfte ums Überleben. Sie wurde in das Chaos des Zweiten Weltkriegs hineingeboren, die Nazis waren an der Macht. Nach 1945 kam die restaurative Wende. Johanna wurde zur Industriekauffrau ausgebildet. Für eine höhere Schulbildung gab es kein Geld. 

Johanna Dohnal heiratete sehr jung den Chauffeur Franz Dohnal, mit dem sie 19 Jahre verheiratet bleiben sollte. Mit nur zwanzig Jahren bekam sie das erste von zwei Kindern. Und bald nach der Geburt begann sie wieder zu arbeiten. Das Geld wurde dringend benötigt. Nach der zweiten Geburt wurde sie allerdings gekündigt. Die Familie wohnte beengt in einer kleinen Gemeindewohnung. Die junge Mutter nahm Heimarbeit an, um über die Runden zu kommen. Erschwingliche Betreuungseinrichtungen gab es nicht. Erst Jahre später fand sie erneut eine Anstellung als Sekretärin in einem Schlossereibetrieb. 

Das alles war für Johanna Dohnal prägend. Politisch aktiv zu werden war daher eine logische Konsequenz. Zuerst wurde sie Bezirksrätin und Vorsitzende der SPÖ-Frauen in Wien-Penzing. Bald wechselte sie in die Parteizentrale, wurde Abgeordnete im Wiener Landtag. 1978 war sie als Mitbegründerin des Vereins „Soziale Hilfen für gefährdete Frauen und Kinder“ maßgeblich an der Einrichtung des ersten Wiener Frauenhauses beteiligt. 

Bruno Kreisky holte sie 1979 als Staatssekretärin für allgemeine Frauenfragen in die Bundesregierung. Sie setzte zahlreiche gesetzliche Verbesserungen vor allem für berufstätige Frauen durch. 1989 wurde die Vergewaltigung in der Ehe mit der Vergewaltigung außerhalb der Ehe gleichgestellt. Frauen- und Gleichbehandlungspolitik waren ihre Schwerpunkte, sie engagierte sich aber genauso in der Friedens-, der Bildungs- und der Entwicklungspolitik.


Es gibt Menschen, die im Volk die absolute Mehrheit stellen  und im Parlament die wenigsten Sitze haben.
Fragen Sie die Männer, warum.

Johanna Dohnal

Ausstellung Frauenmuseum Hittisau 2019: Sie meinen es politisch! 100 Jahre Frauenwahlrecht in Österreich

Ausstellung Frauenmuseum Hittisau 2019: Sie meinen es politisch! 100 Jahre Frauenwahlrecht in Österreich

1990 wurde sie schließlich als erste österreichische Frauenministerin angelobt. Auf ihre Initiative wurden in Österreich elementare Frauenrechte durchgesetzt. Sie sorgte dafür, dass Frauen bei häuslicher Gewalt ein Betretungsverbot gegen den Mann erwirken können. Sexuelle Belästigung wurde gesetzlich verboten. Ledige Mütter hatten lange Zeit nicht selbst die Vormundschaft für ihre Kinder, sie lag beim Jugendamt. Unter Johanna Dohnal wurde das abgeschafft. Gleichbehandlung wurde im öffentlichen Dienst gesetzlich verankert, an Universitäten und in Ministerien eine Frauenquote eingeführt. 

Das alle ging nur, weil sie sehr viel Ablehnung und Diskreditierung zu ertragen im Stande war. Sogar bespuckt wurde sie auf der Straße. Nach persönlich besonders belastenden Parlamentsdebatten, erzählt ihre Lebensgefährtin Annemarie Aufreiter, hätte sich Dohnal zu Hause nur noch erbrochen. Mit ihr war sie von 1981 bis zu ihrem Tod zusammen. Kurz nach dem Inkrafttreten des entsprechenden Gesetzes ging sie mit ihr am 1. Januar 2010 eine Eingetragene Partnerschaft ein. Um die Witwenrente kämpft aber Annemarie Aufreiter noch heute.

Aus taktischen Gründen leise zu treten,
hat sich noch immer als Fehler erwiesen.

Johanna Dohnal

Nach den ersten großen Erfolgen Jörg Haiders Mitte der 1990er Jahre begann in Österreich eine konservative Wende. Nicht nur Dohnals Initiativen, sondern auch ihre Person wurden in scharfen Kontroversen in Frage gestellt. Dohnal wehrte sich, konnte aber dem Stimmungsumschwung im Land nichts Entscheidendes mehr entgegen setzen. 1995 wurde sie von Vranitzky gegen ihren Widerstand als Frauenministerin wenig elegant aus der Regierung entlassen.  Damit zog sie sich aus der Berufspolitik zurück, für ein politsiches Amt kandidierte sie nie wieder. Untätig blieb sie aber nicht. Sie engagierte sich in der Arbeit mit Universitäten, NGOs, Frauenorganisationen und Gewerkschaften. Auch im Web war sie aktiv und betrieb weiterhin ihren Kampf für die Gleichstellung der Frau in Staat und Gesellschaft.  

Johanna Dohnal verstarb im Alter von 71 Jahren in Folge von Herzproblemen. Mit ihr hat Österreich eine mutige, kämpferische, menschliche, coole und warmherzige Politikerin verloren.

Johanna Dohnals Partnerin Annemarie Aufreiter zeigt ein Porträt, fotografiert von Elfie Semotan: „So habe ich sie wirklich erlebt“.

Johanna Dohnals Partnerin Annemarie Aufreiter zeigt ein Porträt, fotografiert von Elfie Semotan: „So habe ich sie wirklich erlebt“.

Die Filmemacherin Sabine Derflinger hat heuer der großen Politikerin den Film „Die Dohnal. Frauenministerin / Feministin / Visionärin“ (A, 2019, 105 min) gewidmet. Damit zeichnet Derflinger das berührende Portrait einer Politikerin mit Haltung und Herz. Sie zeigt Dohnals Kämpfe, ihre Siege, aber auch ihr Scheitern und bringt sie uns dabei auf eine sehr zugängliche und nachempfindbare Weise nahe.

„Die Dohnal” ist ein Dokument gegen das Vergessen und ein Plädoyer für eine gleichberechtigte Zukunft. Im vergangenen Februar konnten wir den Film in Kooperation mit den Spielboden Dornbirn mehrmals zeigen.

Frauen haben sich die ganze lange Geschichte
des Patriarchats an Gewalt gewöhnt,
ja vielleicht gewöhnen müssen.
Dennoch: Was heute immer noch
viele Frauen ihren Söhnen entschuldigen,
Ihren Partnern oder Männern verzeihen und
ihren Töchtern als Opferverhalten anerziehen,
wirkt gegen die Unabhängigkeit
und Würde von Frauen.

Johanna Dohnal
Auftaktmatinee anlässlich 16 Tage NEIN zu Gewalt an Frauen, 25.11.2001

Text: Stefania Pitscheider Soraperra

Images © https://www.zeit.de/2020/08/johanna-dohnal-frauenpolitik-feminismus-film, Eva Kern, ​picturedesk / © 1982_Frauenforumsprechstunde_C_Fritz-Kern_Oesterreichische-Nationalbibliothek-web / © Frauenmuseum Hittisau, Lutz Werner / © Derflinger Productions

Die große Reformerin.

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Ein Stück Normalität.

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